1989 - 1990, Zeit der Wende

Schon im September des Jahres 1989 begannen in Leipzig die ersten Demonstrationen für eine politische Erneuerung. Wie bereits erwähnt, wurden auch die Feierlichkeiten anlässlich des 40. Jahrestages der DDR durch Demonstrationen beeinträchtigt. Das Ministerium für Staatssicherheit veranlasste den Einsatz der Polizei. Es kam zu zahlreichen Festnahmen von Bürgern.

Wenige Tage später lud der Rat der Stadt zu einem öffentlichen Dialog in den LPG-Saal ein. Der Saal konnte an diesem 3. November die Menschen nicht fassen. Etwa 200 Bürger standen noch auf der Straße. Insgesamt etwa 500 Leute waren gekommen. Unter dem Ruf „In der Kirche ist für alle Platz!" zog man in die Nikolaikirche. Im Rat, der zu diesem Dialog eingeladen hatte, herrschte Unentschlossenheit. Es siegte jedoch die Vernunft, und Bürgermeister, Ratsmitglieder und die Gäste der SED-Kreisleitung, der Kreisschulrat und der Kreisarzt begaben sich in die Kirche.
Die Bürger forderten konsequente Reformen in allen Bereichen: Schluss mit der Führungsrolle der SED, Durchführung von freien Wahlen, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Auflösung des Grenzgebietes, Zulassung des Neuen Forums. Außerdem wurden zahlreiche weitere Probleme angesprochen wie die ständigen Versorgungsschwierigkeiten, der leidige Ersatzteilmangel, Fragen der Bau- und Wohnungspolitik und anderes mehr. In Anwesenheit des ersten Sekretärs des Rates des Kreises wurde am 6. November eine Stadtverordnetenversammlung durchgeführt. Auf der Tagesordnung standen Kaderfragen und die Wahl eines neuen Bürgermeisters.


Der politische Druck des Volkes hatte den Höhepunkt erreicht. Es war jedem klar: Die Regierung war gezwungen, ein Zeichen zu setzen. Am 7. November gaben Rundfunk und Fernsehen den Rücktritt des Ministerrates bekannt. Schon zwei Tage später erfolgte die Neuwahl des Zentralkomitees. In der Kirche zu Kaltennordheim fand am 8. November ein weiterer öffentlicher Dialog statt.
Kirchenvorstand und Rat der Stadt trafen sich am 10. November zu einer gemeinsamen Beratung. Dabei legte man fest, dass solche Gespräche im Zeitabstand von einem viertel Jahr wiederholt werden sollen.


Der größte Tag in der Geschichte der beiden deutschen Staaten war jedoch der 9. November 1989, der Tag der Grenzöffnung. Am Abend dieses 9. November und an den folgenden Tagen passierten Tausende PKWs die bisher wenigen offiziellen Grenzübergänge zwischen BRD und DDR.
Es kam zu herzlichen Begegnungen; wildfremde Menschen lagen einander in den Armen, lachten und weinten vor Freude. Wer sich nicht selbst auf die Reise begab, verfolgte das Geschehen zu Hause am Bildschirm. Rund um die Uhr übertrug das Fernsehen auf allen Kanälen das Geschehen - Bilder die um die Welt gingen und die in die Geschichte eingegangen sind.
Das Ferienheim „Katzenstein" bei Andenhausen wurde am 28. November Ziel einer Protestdemonstration von mehreren hundert Bürgern. Mit dem Ruf ,,Stasi raus!" und „Stasi in die Produktion” belagerten sie das Haus. Anschließend bewegte sich der Zug in Richtung Grenze. Hier hatten sich inzwischen auch auf der Seite der BRD zahlreiche Bürger eingefunden. Mit Nachdruck forderte man die Grenzposten auf, das Tor zu öffnen. Angesichts der Menschenmenge blieb den Soldaten nichts anderes übrig, als der Forderung nachzugeben. Auf der Straße zum Theobaldshof fand eine herzliche Verbrüderung statt, dann zog man gemeinsam in das Bürgerhaus der Gemeinde Theobaldshof, wo bis gegen Morgen gefeiert wurde.
Schon am 14. November 1989 weilte der Bürgermeister der Stadt Tann zu Besuch im Kaltennordheimer Rathaus. Im gemeinsamen Gespräch wurden viele aktuelle Fragen der Zeit angesprochen. Schon bald danach folgte ein Gegenbesuch des Kaltennordheimer Bürgermeisters in Tann. Eine Städtepartnerschaft zwischen beiden Rhönstädten wurde beschlossen, und seither finden zu kulturellen Höhepunkten gegenseitig Besuche statt.


Das nahe gelegene Städtchen Tann wurde in den Monaten nach der Grenzöffnung zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Bürger aus den Orten des Feldatales. Alte Verbindungen, die nach 40jähriger Trennung fast vergessen schienen, wurden neu geknüpft.
Das Ferienheim der Staatssicherheit, „Katzenstein”, war am 2. Dezember abermals Ziel von zirka 300 Demonstranten. Wieder forderte man anschließend die Öffnung des Grenz Tores, und im Bürgerhaus am Theobaldshof fand eine weitere Begegnungsfeier statt.
In den landesweiten Demonstrationen und Meetings wurde immer öfter die Forderung nach der deutschen Einheit gestellt. Der Schlachtruf zu den Montagsdemonstrationen hieß nicht mehr: „Wir sind das Volk”, sondern: „Wir sind ein Volk!"
Silvester 1989 stand schließlich ganz im Zeichen der Wiedervereinigung. Die Mauer war gefallen. Auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin feierten die Menschen aus Ost und West den Beginn einer neuen Zukunft.


Im Frühjahr des Jahres 1990, am 12. April, wurde zum letzten Mal die Volkskammer der DDR gewählt. Es war zugleich die erste demokratische Wahl in der 40jährigen Geschichte der DDR. Dieser Regierung oblagen nun die Vorbereitung und Durchführung der Währungsunion und der staatlichen Wiedervereinigung.
Seit dem Tag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober 1990, führen die Orte an der ehemaligen Grenze Andenhausen, Empfertshausen und Theobaldshof alljährlich einen Familiennachmittag durch. In Kaltennordheim wird am ersten Wochenende im Oktober das Wirtefest mit dem traditionellen Bockbieranstich gefeiert. Eingebunden in diesen kulturellen Höhepunkt ist der Tag der Deutschen Einheit mit Gästen aus der Partnerstadt Tann.

Zurück