Naziregime und II. Weltkrieg

Vor dem Hintergrund einer hohen Arbeitslosigkeit und der propagandistischen Schlagzeile „Brot und Arbeit für Millionen" schaffen zu wollen, gewann 1933 die NSDAP mit großer Mehrheit die Reichstagswahl. Schon bald nach ihrer Machtübernahme zeigten die Nationalsozialisten unter Hitlers Führung ihr wahres Gesicht: Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt, Diskriminierungen und Repressalien gegen Bürger oppositioneller Parteien, sowie eine massive Hetze gegen Juden und Menschen anderer Völker begann. In der Absicht, für die Zukunft eine schlagkräftige deutsche Wehrmacht aufbauen zu können, wurde nun die sogenannte „Normalfamilie" mit mindestens vier Kindern propagiert. Der Unterricht in den Schulen, die öffentliche Presse und die Programme des Rundfunks wurden mit nationalsozialistischen Ideologien durchsetzt. Eine ,,Staatsjugend" sollte herangezogen werden. Alle Jugendlichen in die nationalsozialistischen Massenorganisationen wie HJ, BDM usw. einzugliedern war die offizielle Zielstellung der Staatsführung.


Durch die sogenannte Arbeitsfront wurden in Form von staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zahlreiche Großbauprojekte begonnen. Der Ausbau der Autobahnen, des Schienennetzes,
Stromnetzes sowie des gesamten Militärbereiches war schließlich Voraussetzung für einen Eroberungsfeldzug. Ab 1935 begann eine aktive Kriegsvorbereitung mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und großer Rüstungsaufträge für die Industrie. Im gleichen Jahr wurden die Nürnberger Rassengesetze verabschiedet. Nun begann eine verstärkte Verfolgung der Juden. In Form von Verleumdungen, Unterstellungen, Beschlagnahme ihres Eigentums und letztlich ihrer Exekution wurde die Ausrottung jüdischer Bürger in Deutschland systematisch betrieben.
Auch in Kaltennordheim waren etliche jüdische Kaufleute ansässig. Hier wie überall im Deutschen Reich, wurden die jüdischen Geschäfte boykottiert. Etlichen Kaltennordheimer Juden gelang es rechtzeitig ins Ausland zu entkommen, diejenigen welche hierblieben, wurden in der Reichskristallnacht von der SA ins Konzentrationslager verschleppt und dort umgebracht.
Der II. Weltkrieg


Am 1. September 1939 begann mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen der II. Weltkrieg. Gleichzeitig wurden Lebensmittelkarten herausgegeben um auf diesem Wege eine Rationierung einzuleiten. Schon am 28. August wurden alle wehrdienstfähigen Männer eingezogen und sogenanntes ,,Kriegsmaterial” requiriert.
Die Arbeitsplätze in der Industrie wurden nun vorranging mit Frauen, alten Männern und Jugendlichen besetzt. Ab 1940 führte die deutsche Wehrmacht Krieg gegen ganz Europa. Überfälle auf Dänemark, England, Finnland, Holland, Belgien, Tschechoslowakei, Rumänien, Russland u.a. führten schließlich zu einem internationalen Militärbündnis gegen Deutschland.
Ab 1942, beginnend mit der Schlacht bei Stalingrad, wurde der Vormarsch der Wehrmacht endlich gestoppt. Der Kriegsverlauf nahm nun eine für Deutschland tragische Wende. Ab 1943 folgten die ersten Bombardierungen deutscher Städte. Es sollte jedoch noch zwei Jahre dauern bis zur endgültigen Kapitulation. Trotz der nun folgenden Niederlagen und tausender Gefallener dröhnten weiterhin die Propagandareden von angeblichen Erfolgsmeldungen und dem bevorstehenden Endsieg aus dem Radio.
Wie überall im Lande wurde auch in Kaltennordheim in den letzten Kriegswochen ein „Volkssturm” gebildet; eine aus alten Männern und minderjährigen Jugendlichen zusammengewürfelte Gruppe. Diese hatte die Aufgabe die Heimat bis zum letzten Atemzug zu verteidigen, wie Göbbels Parole lautete. Auf Befehl einiger betagter NSDAP-Leute und kriegsdienstuntauglichen Offizieren, die kaum selbst noch an den ,,Endsieg" glaubten, wurden nun auf den Straßen vor Kaltennordheim Panzersperren errichtet und in den anliegenden Feldern Schützengräbern ausgehoben. Stapelweise saßen Panzerfäuste schlecht getarnt an Wiesen- und Waldrändern mit denen die herannahende gegnerische Armee gestoppt werden sollte. Das Artilleriefeuer der „Amerikaner" war am 31. März aus westlicher Richtung deutlich zu hören.


Am 1. Osterfeiertag, dem 1. April, wurde Kaltenwestheim bombardiert. Der Ort wurde fast völlig durch Phosphorbomben zerstört. Der Grund waren einige von der deutschen Wehrmacht am Ortsrand liegen gebliebene Militärfahrzeuge, die offenbar den Anschein erweckten, das Kaltenwestheim von deutschem Militär belagert sei. Die Schreckenskunde des Angriffs auf Kaltenwestheim sprach sich schnell herum. Obdachlose Kaltenwestheimer suchten teilweise in den Nachbardörfern Unterkunft.
Angesichts der nun immer näher rückenden Front und der deutliche werdenden Übermacht der Alliierten herrschte nun eine große Verängstigung in der Bevölkerung. Jedem Bürger Kaltennordheims war nun klar, dass ein Verteidigungsversuch die totale Vernichtung der Stadt bedeutet hätte. An Widerstand dachte keiner mehr.
Bereits in der Nacht zum 1. April hatten einige beherzte Männer die weiße Fahne auf dem Kirchturm gehisst. In der gleichen Nacht wurden auch die drei in Kaltennordheim befindlichen Warenlager von den Bürgern geplündert, die im Herbst des Vorjahres von der Wehrmachtsleitung angelegt worden waren. Die Vorräte sollten schließlich nicht der Besatzung in die Hände fallen. Die eigene Not war schließlich groß genug.


Am Vormittag des Ostersonntags rollten dann die ersten amerikanischen Panzerwagen in Kaltennordheim ein. Aber noch einmal sollte das Städtchen in Angst und Schrecken versetzt werden. Gegen Mittag erschütterte eine gewaltige Explosion die Häuser. Auf dem Rathausplatz war eine Bombe gefallen. Die Fenster gingen zu Bruch, Steine und Erde flogen durch die Luft, das Dach des Rathauses wurde beschädigt. Auf dem Rathausplatz hatte sich ein riesiger Bombentrichter gebildet. Wenig später war Kaltennordheim von der amerikanischen Armee eingenommen.

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