DDR-Zeit / 45 Jahre innerdeutsche Grenze

Am 8. Mai 1945 nahm die sowjetische Armee Berlin ein. Die totale Kapitulation Hitlerdeutschlands wurde ausgerufen. Die Siegermächte teilten Deutschland nun in vier Besatzungszonen auf.

Das Land Thüringen fiel dabei an die Besatzungszone der Sowjetunion. Mit dieser Aufteilung war gleichzeitig der Grundstein einer neuen politischen Konfrontation gelegt, denn nun standen sich hier zwei entgegengesetzte Gesellschaftsordnungen gegenüber. Seit ihrer Gründung wurde in der UdSSR der Aufbau eines sozialistischen Staates mit dem Ziel einer kommunistischen Staatsmacht vollzogen. Dieses Ziel dehnte die UdSSR nun auf alle Länder Osteuropas aus, die seit dem Ausgang des II. Weltkrieges von ihr besetzt waren.
Grundlage zur strategischen Durchsetzung dieses Zieles wurde in den folgenden Jahren die Herrschaft des Stalinismus in diesen Ländern. Die Gründung der beiden deutschen Staaten besiegelte nun den harten Machtkampf, den sogenannten ,Kalten Krieg", der an dieser Nahtstelle zweier Großmächte in den folgenden 40 Jahren auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wurde. Mehrfach führte die politische Situation in dieser Zeit an dem Rande eines erneuten Krieges, der in einem atomaren Inferno hätte enden können.


Bereits im Juni 1945 wurde in Ostberlin das Aktionsprogramm zum Aufbau eines „antifaschistischen-demokratischen Wiederaufbaues" verabschiedet. Gleichzeitig wurde die Enteignung aller Industriebetriebe und Großgrundbesitze eingeleitet. Der Wiederaufbau in der 1949 gegründeten DDR vollzog sich nun nach dem Vorbild der SU in Form einer staatlichen Planwirtschaft. Unter dem Schlagwort „Vom Ich zum Wir” wurde die systematische Verstaatlichung aller wirtschaftstragenden Einrichtungen durchgesetzt und damit jegliches private Eigeninteresse ausgeschaltet. Dies führte allerdings gleichzeitig zu einer allgemeinen Interessenlosigkeit in den sozialistischen Betrieben. Mit Wettbewerben versuchte man diese auszugleichen, was aber nur zu schwachen Ergebnissen führte. Die Folgen waren eine schlechte Wirtschaftslage und dauernde Mangelerscheinungen bei Gütern des täglichen Bedarfes und in der Industrie.
Um auf dem internationalen Wirtschaftsmarkt bestehen zu können, wurde ab Mitte der siebziger Jahre vor allem der Export von Industriegütern ins kapitalistische Ausland vorangetrieben, um die existenznotwendigen Devisen zu bekommen. Das musste zwangsläufig zu einem Verkauf der Waren unter ihrem Wert zu Lasten der eigenen Bevölkerung führen.
Im andern Teil Deutschlands ging der Wiederaufbau einer leistungsfähigen Gesellschaft mit Hilfe des Marschallplanes schnell voran. Bald war vom ,,Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik" die Rede. Das Fernsehen erlaubte schließlich den scheinbar vollkommenen Einblick in die westliche Gesellschaft. Trotz allem war in den Nachkriegsjahren in beiden Teilen Deutschlands der Wille für einen friedlichen Wiederaufbau groß.


Die Bevölkerung hatte auf Grund der Umsiedler aus den ehemals deutschen Gebieten Osteuropas zugenommen. Außerdem waren bereits viele Familien aus den Städten während der Kriegsjahre in den ländlichen Raum verzogen um die drohenden Bombardierungen zu entgehen. Am 1.7.1947 betrug die Einwohnerzahl in Kaltennordheim 2 527; etwa 25 % mehr als vor dem Krieg. Überall gab es einen großen Mangel an Wohnraum.


Schon 1946 bis 1948 begann in unseren Rhönorten eine rege Bautätigkeit. Da es kein Baumaterial gab, fertigte man die Steine selbst an. Man verwendete dazu den sogenannten „Binder", eine Art Zement, welcher durch das Beimischen von Gips und Grau kalk verlängert wurde. In Arbeitseinsätzen in der Ziegelei Erbenhausen stellte man die benötigten Dachziegel her. Das notwendige Holz wurde vom Förster in den einheimischen Forsten angewiesen, dann selbst eingeschlagen und mit dem Kuhgespann zur Schneidmühle gefahren. Da von Anfang an dem wirtschaftlichen Aufschwung in Westdeutschland schneller voranging, war die einstige Frontlinie und spätere innerdeutsche Grenze bis in die fünfziger Jahre hinein auch illegale Handelszone des kleinen Mannes". Bei oft lebensgefährlichen nächtlichen Ausflügen verschaffte man sich auf diesem Wege so gut wie alles, was sonst hier nicht zu bekommen war, bis diese Grenze durch Stacheldraht, Minengürtel, wachsende militärische Bewachung und einer 5-km-Sperrzone unüberwindlich wurde.


Das man im Stadtrat von Kaltennordheim durchaus nicht alles was die Staatsobrigkeit anordnete, kritiklos hinnahm zeigt folgender Auszug aus der Chronik von Richard Gerlach, die im Zusammenhang steht mit der ersten Zwangsaussiedlung in Kaltennordheim:
8.6.1952 In der heutigen Stadtratssitzung berichten Bürgermeister und Gemeindevertreter über die Maßnahmen, die zur Umsiedlung von Familien in andere Kreise getroffen wurden sowie über die örtlichen Ereignisse und heutige Vorsprache in Bad Salzungen. Der Bevölkerung soll Aufklärung über die Vorgänge der letzten Tage gegeben werden. Als Ergebnis der Aussprache wird beschlossen, gegen das Vorgehen der VP am Sonnabendnachmittag, die ohne vorherige Warnung gegen die Bevölkerung eingeschritten ist, zu protestieren und eine Untersuchung hierüber zu verlangen. Die Beschlussfassung erfolgte einstimmig. Es wurde außerdem einstimmig beschlossen, in dieser Woche eine Einwohnerversammlung, zu der der Landrat gebeten werden sollte, einzuberufen und die Protestentschließung durch eine in dieser Versammlung zu wählender Deputation dem Innenministerium zu überreichen. Außerdem seien der Lehrerschaft Vorwürfe gemacht worden im Zusammenhang mit den Vorfällen am Sonnabend (siehe oben). Der Lehrerschaft wird von der Gemeindevertretung das vollste Vertrauen ausgesprochen. Bürgermeister und Vorsitzender der Gemeindevertretung ermahnen die Bevölkerung eindringlich, sich ruhig und diszipliniert zu verhalten und sich nicht zu Provokationen hinreißen zu lassen.
Dieser Eintrag weist eindeutig auf die politisch gespannte Situation in der damaligen Zeit hin. Wenn es auch stets wirtschaftliche und vor allem Materialschwierigkeiten gab, so war es doch notwendig, in Kaltennordheim verschiedene Baumaßnahmen zu realisieren.

1952 wird der Bau des Landambulatoriums in der Eisenacher Straße begonnen, das am 12. Juni 1953 eingeweiht wurde.

Bis 1990 beherbergte dieses Haus eine zentrale medizinische Versorgung für die Orte des oberen Feldatales mit mehreren Arztpraxen, einer physiotherapeutischen Praxis, einer Schwangerenbetreuung und einem medizinischen Labor.

Ab 1953 wurde auch die weitere systematische Verstaatlichung von mittelständischen Industriebetrieben, die Bildung von genossenschaftlichen Betrieben im Handwerk und die Gründung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften vorangetrieben. Die Verstaatlichung der mittelständischen Industriebetriebe wurde über eine zwischenzeitliche halbstaatliche Beteiligung schrittweise bis zur 1976 folgenden vollen Verstaatlichung durchgesetzt. Die Folgen machten sich bald bemerkbar, indem die Volkswirtschaft einen weiteren Niedergang erlebte. Besonders betroffen war die Ersatzteilproduktion sowie die Herstellung von Produkten für die Bauwirtschaft, z. B. im Heizungs- und Sanitärbereich und anderen Baumaterialien.

1958 wurde die Kaserne für die Grenzpolizei in der Meininger Straße errichtet. Der grenznahe Raum wurde durch eine 5-km-Sperrzone „gesichert”. Alle Einwohner, welche in dieser Sperrzone wohnten, erhielten einen entsprechenden Eintrag in ihrem Personalausweis. Besucher benötigten für die Einreise in diese Zone einen Passierschein, den sie bei der polizeilichen Dienststelle ihres zuständigen Wohnortes beantragen mussten. Einen solchen Passierschein erhielt man aber nur zum Besuch bei Verwandten oder zum dienstlichen Gebrauch bei genauer zeitlicher Begrenzung. 1958 erfolgte der Umbau des Kaltennordheimer Kinos.


1967 wurde das östliche Feldaufer neu befestigt.


1971 Einweihung der neuen Apotheke in der Bahnhofstraße


1981 wurde die Feldabrücke in der Kirchstraße renoviert und gleichzeitig verbreitert. Damit sind die Verkehrsbedingungen wesentlich verbessert worden.

1982, 3. August – In Kaltennordheim werden Drillinge geboren. Die glücklichen Eltern, zu deren Familie nun fünf Kinder gehören, sind Bernhard und Heidemarie Freiberg, Lindenstraße 8. Die Drillinge heißen: Daniel, Danny und David.

1982 Einweihung der neuen Kaltennordheimer Schule. Durch die Auslagerung der Schule wer- den im Schloss und in der ehemaligen Schule am Kirchtor Räume frei, die nun für andere Zwecke genutzt werden können. Das Schloss soll schrittweise als kulturelles Zentrum ausgebaut werden.

1983 Eröffnung der Zentralbibliothek im Schloss Gebäude.

1983 Einrichtung eines Veteranenclubs mit Mittagsversorgung als Begegnungsstätte für ältere Bürger.

1984 Eröffnung des neuen Standesamtes im Schloss.

1983 Einweihung des neuen Einkaufszentrums im ehemaligen Schulgebäude in der Aug.-Bebel-Straße. Nach dem Umzug der Schüler in die neue Schule konnte das Haus entsprechend umgebaut werden.

1987 Kaltennordheim feiert das Jubiläum ,425 Jahre Stadtrecht”. Die Festwoche findet in der Zeit vom 1. bis 9. Juni statt. Die Bürger nahmen mit großem Engagement Anteil. Straßen, Plätze und Häuser wurden mit bunten Wimpel Ketten geschmückt. Die Fenster der Häuser waren mit historischen Gegenständen aus vergangenen Jahrhunderten ausgestaltet.

1989 Übergabe des neu erbauten Feuerwehrhauses.
Im Zeitraum von 1978 bis 1987 wurden außerdem mehrere Wohnblocks in der Eisenacher Straße und in der Meininger Straße erbaut.

Am 7. Oktober 1989 begeht die DDR-Führung den 40. Jahrestag in einer Großveranstaltung in Berlin. Die bereits sehr gespannte Lage führte zu Demonstrationen von Bürgerrechtlern, die von der Polizei niedergeschlagen wurden. Es herrschte eine angespannte Situation in der gesamten Bevölkerung.

Liebe Kaltennordheimer!
Im „Rhön- und Streuboten", der Heimatzeitung des Kreises Rhön-Grabfeld, erschien 1990 ein Beitrag, der unser Kaltennordheim betraf und der auch unsere Bürger sehr interessieren und nach Jahrzehnten des Schweigens tief berühren wird. Wir möchten mit dem Nachdruck dieses Artikels die verbotenen Erinnerungen wecken, die mutigen Mitbürger von damals ehren und das menschenverachtende SED-Regime anprangern.

Zurück