Der Dreißigjährige Krieg in unserer Heimat

Bis Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich das Henneberger Land in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht positiv entwickelt. Zahlreiche Baudenkmale sind Zeugen dieser Zeit.

Neue ideologische Einflüsse, ausgelöst durch die Reformation, bestimmten die geistigen Auseinandersetzungen und führten mit Beginn des 17. Jahrhunderts zu einer politischen Spaltung Europas. Die katholische Liga der spanisch-habsburgischen Großmächte war bestrebt, die alte Weltmacht unter der Vorherrschaft Roms gegen das neue Bündnis der Vereinigung der protestantischen Länder aufrecht zu erhalten. Die aus dieser Situation resultierenden Spannungen führten im Jahre 1618 schließlich zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges.
Die Sächsischen Herzöge waren Vertreter des Protestantismus und förderten diesen seit nahezu 100 Jahren. Kaltennordheim war nach dem Ableben von Herzog Ernst v. Henneberg-Schleusingen als Erbe an die Sächsischen Herzöge ernestinischer Linie gefallen.


In den ersten Jahren des Krieges blieb es in unserer Gegend noch ruhig. Im Jahre 1622 wurden alle kriegstauglichen Männer von der hennebergischen Regierung einberufen. Im Spätsommer des Jahres 1625 begannen die direkten Kriegseinwirkungen mit dem Durchzug von „20 Fähnlein Kaiserlicher” durch das Feldatal.
In Diedorf wurde davon die Hälfte einquartiert. Sie richteten im Ort und in der Umgebung großen Schaden durch Plünderungen an. Die Einwohner, welche genug Sorgen um das tägliche Brot für ihre Familie hatten, müssten nun auch noch für die Verpflegung der Soldaten aufkommen. Raubzüge, Verwüstungen der Felder, Überfälle und Morde brachten Not und Entsetzen ins Land.
1626 herrschte im ganzen Feldatal die Pest. Viele Menschen, vor allem kleine Kinder, fielen der Seuche zum Opfer. Um 1630 verließen zahlreiche Menschen Haus und Hof in der Hoffnung, anderswo Ruhe und friedliche Arbeit zu finden. Im Jahre 1631 zog der kaiserliche General Altringer mit 16 000 Soldaten auf dem Weg vom Werratal ins Hessische durch unsere Heimat.
Das schlimmste Kriegsjahr war jedoch das Jahr 1634. Am 12. und 13. Oktober fielen die Kroaten unter ihrem berüchtigten Führer Isolani in Kaltennordheim ein. Unter seiner Führung hausten sie auf erdenklich schreckliche Weise; sie plünderten die Stadt, schlachteten das Vieh ab, durchwühlten die Häuser und raubten die Ernte aus den Scheunen. Die Einwohner flüchteten in die Wälder, denn wer ihnen in die Hände fiel, kam selten mit dem Leben davon. Die Männer wurden zu Tode gefoltert, verstümmelt oder gehängt, die Frauen und Mädchen vergewaltigt, Kinder und Kranke erschlagen. Besonders grausam gingen sie mit den evangelischen Geistlichen um. Dann brandschatzten sie den Ort. Die Kirche, das Schloss, das Rathaus, das Amtsarchiv, die Schule und die meisten Wohnhäuser fielen dem Feuer zum Opfer.
Von Kaltennordheim aus unternahmen die Kroaten Raubzüge in die umliegenden Dörfer. In Kaltensundheim hatten sich die Einwohner in der Wehrkirche verschanzt. Die gut gebaute Anlage vermochten sie nicht einzunehmen. Gleichzeitig mit den Kriegseinwirkungen, mit dem Schrecken und der Not, brach im gesamten Henneberger Land erneut die Pest aus und erreichte ein nie dagewesenes Ausmaß.
Einen Einblick in die Geschehnisse dieser Zeit geben uns die folgenden schriftlichen Überlieferungen:


1. Originaltext einer Bittschrift aus dem Jahre 1634, aufgefunden im Ratsarchiv und überliefert von Johann Adam Artes, Lehrer und Organist zu Kaltennordheim:


„Underthenige gehorsame Fusfellige der Gesambten Schulthessen Vor sich undt alle Gemeinden bedter Embder Kalten Northeimb undt Fyschbergk vom 9. July anno 1634.
Wohl Edle Gestrenge, Hochgelahrte, Ehrenvester Undt Großachtbahre Chur - undt Fürstliche Sächsische zur Oberuffsicht undt Regirung der freien Graffschaft HENNEBERGK Wohlverordnete herrn Oberuffseher, CANTZLER undt RÄTHE, hochgebietendte großgünstige Herren!
Waß massen undt gestalt Churfürstlich Sächs. Durchlaucht beden Herren Obristen von Dehn undt von Schleinitz Funffzehn Tausend Reichsthaler ahn Ihren restirenden Verpflegungsgeldern, entweder bahr oder zu annehmlichen Kurtze TERMINEN zu befrer aufkommung Ihrer Regimenter auß dießer Fürstl. Graffschaft außzuzahlen gnedigst anbefohlen haben, - das ist UnB Umbstendlich und beweglich DENUZIRET und erclert worden.
Aber dem getreuen wohlthetigen Gott sey geklaget, daß es sogar mit Unß aus ist, Undt alles veräußert, ja margk und beyn durchsogen ist. Undt solches SUMMAISSIME doch mit grund der wahrheit zu durchlaufen, waß wier arme an der schraben Röhnerischen Undt Döllfeldischen Grentz darniederliegende Hennebergische Unthertanen, an Unßeren eigenen Leibern Undt häuslichen Stande erkarget undt er Sparet, nunmehr aber in nechstverwichenen Sechs Monden dieses Jahres (1634) (derer in dem vorhergehenden Jahren uff sehr VIEL tausend Gulden uffgewandten Kriegs-Costen dießmal geschwiegen) dem Allgemeinen EVAGELISCHEN Wesen auch Unßerer HO HEN LANDESFÜRSTLICHEN SOLDATHESCA Zum besten aufgewendet, Hat die Notturft erfordert, Darüber nachrichtlichen Extrakt beyzufügen.
Daß es damitt in Kurtzer Zeit ein Ende nehmen möchte, noch keine Hoffnung sich merken lesset.
Da ist lachen teuerworden Undt die uffborgkunk jeglicher Notturft so stark Under die benachbahrten Grentzgessene erschollen, daß nunmehr selbige bißhero bey ihnen gehabte Hülfsmittel gantz und gar gestopfet Undt
abgestricket sindt. Und weyl mann nicht mer weis, wo auß undt ein, daß Hungertuch in allen Heussern uffgebreitet, auch eine großze anzahl der UnBerigen den bettelstab schon zur Handt genommen Undt davon gegangken gestalt, daß erßt vorr 4 Tagen über 50 Personen, die mann noch vorr die Begüttertsten undt ermöglichsten gehalten - undt in eyner nacht mit Weib und Kindt davon gegangen, Heuser offen lehr stehn laßen.
Zu geschweigen, daß wir Ueber Itzbemelte Zehntägliche 1500 Reichstthaler an hinderstendischen verbliebenen Verpflegungsgeldern zu zahlen haben undt schuldtigt sind undt teglich von unß gefordert werden undt übermorgenden Donnerstag mergedachte neue Verpflegung abermalls liefern sollen, biß unsere anderswogemachte überaus großze Schuldten, Darunter daßjehnige, was wier dieß Jahr an gelder und getreidte ins Ambt zu zahlen schuldig geblieben, nicht daß geringste ist- nur zumb Theil abgestattet worden, Wier undter der handt nottürftiges Vihe, Haußrath Undt dergleichen ufs neue zeugen Undt also mit unßer schultigkeit wieder gefaßt sein können.
Dadurch wird hoffentlichen gewünschten occasion (Gelegenheiten) gegeben, daß Wier der Davidschen Vermahnung zur Christlichen Gedult Psalm 37 desto ehr und mehr gehorchen undt Wier Gottes mildreiche handt undt sterke dazu geben.”


2. In einer späteren Bittschrift vom 4. Jan. 1661 an Herzog Wilhelm von Sachsen heißt es:

„...viel schön und wohlgebaute Heuser, vornehmblich auch Kirchen, Schulen, Glocken undt das Kostbare Orgelwergk, auch das Rath- undt Schenckhaus erbärmlich eigeäschert wurden, allermaßen es dann auch das Fürstliche Schloß allhier mit nicht geringem Schaden betroffen."

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